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Gastbeitrag: Frühkindlicher Autismus und der lange Weg bis zur Diagnose

Gastbeitrag: Frühkindlicher Autismus und der lange Weg bis zur Diagnose - Tanja's Everyday Blog

Hallo ihr Lieben,

ich habe durch das Bloggen bereits viele nette Menschen kennen lernen dürfen. Aus manchen sind richtige Freundschaften entstanden, bei denen es nicht nur um “Hallo” und “Wie geht’s?” geht. Eine davon hat in Ihrem Leben schon einiges erlebt und mitgemacht. Und da ich ihre Lebensgeschichte wirklich sehr interessant finde und hoffe, dass sie auch einigen von euch vielleicht in einer solchen Situation hilft, habe ich sie gebeten, diese niederzuschreiben. Und schon beim Lesen wurde ich mitgerissen, und konnte nicht aufhören zu lesen. Mein erster Gedanke war nur: “Was für eine starke Frau und Mutter Swetlana ist…” Aber lest selbst…

Meine Tochter Jaqueline kam am 06.03.2004 zu Welt. Die Geburt musste eingeleitet werden da mein Blutdruck viel zu hoch war, ich war froh das es nicht zu früh, denn der erechnete Geburtstermin war der 14.03.2004. Die Geburt an sich verlief normal, es gab keine Komplikationen. Es war unser erstes Kind und wir haben uns riesig gefreut. Zu dem Zeitpunkt wusste keiner von uns, das es eine schwere Zeit für uns sein wird mit unserer Tochter.

Nach 5 Monaten fing unser Kind an nur zu schreien, sie hat kaum was getrunken, sie hat nicht mehr geschlafen. Wir waren zwei mal in der Woche in der Klinik, wurden aber immer wieder nach Hause geschickt mit den Worten ihr fehlt nichts. Bei der nächsten U-Untersuchung beim Kinderarzt wurde bei Ihr ein Leistenbruch festgestellt. Das war für uns ein Schock und sie wurde dann auch Operiert.

Das krabbeln fing die mit 9 Monaten an, mit 18 Monaten fing sie an zu laufen. Sie konnte erst mit 2 1/2 Mama, Papa sagen. Das war es dann aber auch mit Sprechen. Sie kam mit 3 Jahren in den Kindergarten. Es war nicht leicht für die Erzieher, weil sie sich mit ihr nicht verständigen konnten. Sie hatte auch Probleme sich mit anderen Kindern zu unterhalten, keiner konnte sie verstehen und somit wollte auch keiner mit ihr spielen. Sie wurde 4 und war immer noch nicht trocken sie brauchte immer noch Windeln. Wir haben auch versucht Ihr die Flasche abzugewöhnen, was wirklich nicht einfach war, denn Sie wollte sie nicht hergeben.

Sie wollte morgens nie in den Kindern sein, sie hat immer geweint. Alle haben sie ausgelacht, weil sie noch Windeln hatte und nicht richtig sprechen konnte. Wir waren am Verzweifeln, denn auch wir hatten Schwierigkeiten. Wir wussten meistens nie was sie wollte oder was ihr fehlte.
Nach Absprache mit dem Kindergarten haben wir mit einer Frühforderung angefangen und Jaqueline ging zu einer Logopädin. Doch so wirklich hatte es nichts gebracht.

Dann haben wir mit den Erziehern entschieden, dass es besser für sie wäre, sie in einen Sparchheilkindergarten anzumelden, was wir dann auch taten. Sie kam in den neuen Kindergarten und fühlte sich sehr wohl dort. Endlich hatte sie Kinder, die sie verstanden haben. Sie kam mit allen gut klar und verstand sich mit allen gut. Sie konnte auch mittlerweile besser sprechen, auch wenn einige Sätze unverständlich waren. Sie ging auch zu einer Ergotherapie, die nichts gebracht hat. Wir mussten die abrechen. Wir waren bei einer Kinderpsychologin, die uns immer zu Seite stand.

Nach der Kindergartenzeit kam nun die Frage, welche Schule kam für meine Tochter in Frage und wir entschieden uns mit den Therapeuten und Erziehern, sie in eine Sprachheilschule zu schicken. Sie wurde Eingeschult, doch da wendete sich wieder alles. Die Klassenlehrerin war mit Jaqueline immer überfordert und setzte sie immer vor die Tür. Jaqueline rastete oft aus, sie war immer wütend und schrie viel. Sie hatte viele Ängste vor lauten Geräuschen wie Staubsauger, Waschmaschine oder jemand würde ihr was tun. Keiner durfte sie anfassen, sie wurde oft handgreiflich. Es wurde von Klasse zu Klasse schlimmer, wir waren am verzweifeln, denn auch zu Hause war es mit Ihr so. Ich war am Ende meiner Kräfte ich habe viel geweint. Sie hat mich beleidigt mit Worten, die ich nie in den Mund genommen hätte. Bis zu 4 Stunden haben wir oft gebraucht. Sie hat es einfach nicht hinbekommen. Sie wurde immer wütender und zerbrach ihre Stifte.

Nach der 3 Klasse entschieden wir Sie die 3 Klasse zu wiederholen auf unseren Wunsch hin. Sie kam in einen neue Klasse. Die Klassenlehrerin war wirklich toll. Sie liebte die Kinder wie ihre eigenen und setzte sich viel für die Kinder ein. Machte mit Ihnen nur das, was sie auch wirklich konnten. Wir dachten, dass es jetzt endlich Bergauf ging, doch leider war es nicht so. Sie kam zwar mit der Lehrerin gut aus, auch mit den Kindern. Doch es gab immer irgendwas wo sie explodierte. Sie konnte nicht richtig lesen, sie konnte nicht richtig schreibe. Es wurde bei Ihr Legasthenie – eine Schreib und Leseschwäche festgestellt. Wir haben sie bei einer Legasthenietherapeutin angemeldet. Da ging sie immer hin, doch es wurde nicht besser. Dann stellte man bei ihr eine Diskalkulie fest, eine Rechenschwäche. Es kam alles auf einmal.

Wir sind zu einer Elternberatung gegangen, weil wir am verzweifeln waren. Wir haben sie zu einer Verhaltenstherapeutin gebracht. Wir hatten nur Termine. Nichts hat geholfen, wir waren am Boden zerstört. Unsere Kinderpsychologin sagte uns, wenn nichts hilft, bleibt nur noch die Möglichkeit sie in ein Internat zu schicken. Das kam für mich aber nicht in Frage, egal wie sie zu uns war und egal wieviele Probleme wir mit ihr haben und wie sehr sie uns beschimpft. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht .

Bis es dann eines Tages hieß, es gibt die Möglichkeit sie in eine Tagesklinik zu bringen, wo man mit ihr Untersuchungen durchführen wird, um festzustellen warum sie so ist und wo sie den ganzen Tag sein konnte und Nachmittags nach Hause durfte. Das haben wir dann auch gemacht. Wir haben sie dort angemeldet und in den Ferien nach der 4 Klasse durfte sie dahin. Es war die letzte Chance um herauszufinden was dieses Kind bewegt, warum sie so ist wie sie ist. Was sie überhaupt hat. Wir haben alles gemacht was wir als Eltern nur tun konnten. Wir hatten inzwischen so viele Therapien mit ihr gemacht. Nichts hat geholfen. Wir hofften da endlich Gewissheit zu bekommen. Wir hatten jede Woche ein Elterngespräch in der Tagesklinik. Es lief sehr gut mir Ihr, sie verstand sich mit allen gut und hatte alle Tests super mitgemacht. Sie ging gerne dort hin.

Dann nach 5 Wochen hatten wir den Termin. Das Ergebnis lag endlich vor. Wir sind mit einem gemischten Gefühl zu diesem Termin gefahren. Dann war es endlich so weit, der Arzt sagte Jaqueline hat Frühkindlichen Autismus und ADHS Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Wir waren völlig geschockt, denn sowas kannten wir nicht. Auf der anderen Seite waren wir erleichtert, endlich zu wissen was mit unserem Kind los ist. Frühkindlicher Autismus heißt, dass Sie sich immer verhalten wird wie ein kleines Kind. Sie muss lernen damit umzugehen. Auch wir müssen lernen damit umzugehen und wie wir uns Ihr gegenüber verhalten müssen. Nach so vielen Jahren Verzweiflung Wut und viele Tränen und sehr sehr viele Therapeuten, wissen wir endlich was wir tun können .

Jaqueline ist jetzt 12 Jahre alt und geht auf eine neue, Sozial Emotionale Schule. Sie besucht zusätzlich eine Tagesgruppe, damit wir als Eltern und auch ihr Bruder ein wenig entlastet werden und es tut uns sehr gut. Wir kommen endlich zu ruhe .
Seit Januar 2016 geht Sie zu einer Autismus-Therapie, wo Sie lernen muss, mit dieser Krankheit zu leben. Sie ist nicht heilbar, aber man kann lernen, damit zu leben und damit umzugehen. Sie braucht noch bei vielen Dingen Hilfe, was Körperhygiene bertift und auch bei einigen anderen Sachen .

Das Verhalten meiner 12jährigen Tochter ist wie das einer 5jährigen. Wir haben zwar immer noch Schwierigkeiten, aber nach so vielen harten Jahren haben wir endlich gelernt, damit umzugehen und uns dran zu gewöhnen. Es ist kein leichter Weg, aber den gehen wir gemeinsam und geben niemals auf, egal wie schwer es ist. Wir lieben unsere Tochter über alles und möchten das sie ihr Leben trotz dieser Krankheit genießt.

Zum Schluss wollte ich Euch noch ein paar Symptome auflisten, die meine Tochter oder ein Frühklindliches Autismus Kind aufweisen kann. Es sind nur ein paar, aber man kann über frühkindliches Autismus Googeln. Das war mein erster Bericht, den ich geschrieben habe…

  • Auffälliges Kontaktverhalten – wenig Interesse an anderen
  • scheinen in eigener Welt zu leben – suchen selten Augenkontakt
  • suchen selten Aufmerksamkeit oder zu viel – Distanzlosigkeit
  • andere Menschen werden höchstens als Werkzeuge benutzt
  • Eingeschränkte Kommunikation
  • Pronominale Umkehr (vertauschtes Verwenden von Ich und Du)
  • Äußern von Wünschen durch Körpersprache
  • Experimentieren mit Lauten wenig differenzierte Mimik
  • kaum Reaktion auf Ansprache Beschäftigung mit eigenen Stereotypien
  • wenn Sprache, dann selbstbezogen und stereotyp kaum Mitteilungsbedürfnis
  • Echolalie Doppellaute-Neologismen (Wortneuschöpfungen)
  • Intelligenz reicht von der geistigen Behinderung bis zur Hochbegabung
  • Gleichförmigkeit von Spiel und Bewegung – Wiederholung von bestimmten Spielabläufen
  • Hyperaktivität mangelndes Spielverständnis bei sozialen Spielhandlungen
  • Beschäftigung mit dem eigenen Körper
  • Über- oder Untersensibilität gegenüber Sinnesreizen
  • detailreiche Regisitrierung der Umwelt besondere Sensibilität für bestimmte
  • Oberflächenstrukturen Veränderte Reizverarbeitung (ist auch gleichzeitig Ursache)
  • Autoaggressivität Überforderung bei Vielzahl von Reizen Berührung / Körperkontakt
  • unangenehm
  • Bevorzugung ungewöhnlicher Sinneseindrücke
  • Weitere Auffälligkeiten Beginn innerhalb der ersten drei Lebensmonate unbegründete
  • mangelndes Gefahrenbewusstsein
  • Zwänge/Rituale
  • Auto-/ Fremdaggression
  • Stimmungslabilität/ -schwankungen (viele Autisten sind empfindlich gegenüber Mondphasen oder Jahreszeiten)
  • niedrige Frustrationstolleranz
  • z.T. verändertes Schmerz-Empfinden
  • häufig: Schlaf-/ Essstörungen
  • Stereotypien
  • Beharren auf Gleicherhaltung der Umwelt
  • veränderte Körperhaltung
  • keine Duldung von Berührung

Ich hoffe mit diesem Bericht den Eltern, die gerade Ähnliches durchmachen oder bereits durchgemacht habe, Hoffnung zu geben. Hoffnung, dass alles machbar ist. Und ich wünschte, ich könnte diesen Familien die Kraft geben, die sie wirklich brauchen. Sucht euch auf jeden Fall Gesprächspartner, Ärzte und Freunde. Ich denke, man soll sich nicht alles schön reden und Hilfe suchen, um nicht irgendwann kraftlos aufzugeben. Und vielen Dank an Swetlana, die ihre Geschichte mit uns geteilt hat! Vielleicht wollt ihr auch Erfahrungen mit uns teilen? Dann schreibt mir einfach… Ich freue mich über jeden Kommentar!

Liebe Grüße

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